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01.06.2020 Kategorie: Bodenstedt-Gemeinde

Montagsandacht 01.06.2020

Pfingsten - „Nehmt hin den Heiligen Geist!“

Lesung Johannes 20,19-22

20,19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!

Liebe Gemeinde!
Sind sie beim ersten Hören auch wie ich ein bisschen zusammengezuckt, als Jesus seine Jünger mit seinem Atem angeblasen hat? Bei mir stößt das gerade auf reflexhaften Widerstand. Jemanden anpusten in Coronazeiten – Ein absolutes No-Go!

Auch den Beginn der biblischen Pfingstgeschichte höre ich auf dem Hintergrund unserer Erfahrungen der letzten Wochen und Monate. Da heißt es:

Als die Jünger versammelt waren und die Türen verschlossen waren aus Furcht.

Auch wir sitzen gleichsam hinter verschlossenen Türen, denn uns wurde und wird geraten: Bleiben Sie zu Hause.

Wir dürfen zwar das Haus verlassen, – aber manche bleiben aus Angst vor der Ansteckung freiwillig oder auf Drängen ihrer Angehörigen in ihren vier Wänden. Und viele andere sind trotz Einkäufen, Spaziergängen oder Radtouren abgeschnitten trotz mancher Lockerung nach wie vor größtenteils abgeschnitten von alltäglichen menschlichen Kontakten bei der Arbeit, in der Schule oder der Uni und in genauso in der Freizeit.

Für häusliche Menschen ist der Unterschied vielleicht nicht so gewaltig, aber die Unternehmungslustigen sind in ihrem Lebensgefühl schwer ausgebremst. Aber für alle wurde der Innenraum plötzlich viel wichtiger: dass es daheim gemütlich ist, dass man zuhause arbeiten kann, dass man mehr selber kocht, dass es eng wird, weil immer alle Familienmitglieder da sind.

Am schlimmsten aber hat es die Schwächsten getroffen, Patienten im Krankenhaus, Menschen mit Demenz im Pflegeheim, abgeschnitten von Angehörigen und Freunden. Und auch manche Kinder, die keine Erzieherin oder Lehrerin mehr aufgefangen hat.
In der Bibel heißt es: Die Jünger Jesu waren eingeschlossen und in Furcht.

Die Jünger hatten sich eingeschlossen, weil sie der Kreuzestod Jesu niedergeschlagen und ihnen die Zukunft geraubt hat. Und sie hatten Angst, nach ihrem Rabbi als nächstes selber verhaftet zu werden. Sie waren zusammen, sie hatten einander. Aber ob das wirklich eine Hilfe für sie war, wissen wir nicht. Denn in Angst und Trauer kann es den Einzelnen zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedlich ergehen. Zum eigenen Schmerz muss man auch noch die Wut des anderen aushalten oder die laute Musik von der, die sich gerade dringend ablenken und Luft machen muss.
Ich glaube nicht, dass die Jünger in der Lage waren, wie manche von uns in den letzten Wochen ihr Haus oder ihre Wohnung aufzuräumen und auszumisten. Der Beschränkung etwas Gutes abgewinnen, das geht nur, wenn man einen Ausgang sieht.
Damals bei den Jüngern in Jerusalem drangen Gesprächsfetzen von der Straße in die abgeschlossene Wohnung. Die Menschen spielen ein Spiel mit der Angst und Unsicherheit der Jünger, sie verstärken die Unruhe oder besänftigen sie ein bisschen. Die Nachrichten-Bruchstücke von draußen verstärken, was sowieso im Herzen und im Sinn der Jünger ist. Etwas wirklich Neues kommt nicht zu ihnen herein.
Liebe Gemeinde, durch Internet und Telefon, Fernsehen und Radio hatten wir in diesen Wochen viel mehr Fenster in die Welt als die Jünger damals. Und das hat vielen von uns gutgetan. Trotzdem haben wir wahrscheinlich oft das in uns aufgenommen, was wir irgendwie schon gekannt haben, was uns vertraut vorkam und uns bestätigt hat. Und das geschieht ja nicht nur in einer Virus-Pandemie, sondern immer wieder: Wir deuten die Welt, wie wir sie zu kennen meinen. Nachrichten von außen werden in das System eingebaut oder ignoriert.

Die Bibel schreibt:
Da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
In die Verschlossenheit tritt der auferstandene Jesus Christus hinein.

Das Gedankenkarussell wird unterbrochen, wenn Gottes Wirklichkeit in unseren Kreis kommt. „Schalom – Friede sei mit euch!“ Die Lähmung und Niedergeschlagenheit der Jünger wird weggeweht. Jetzt kommt frischer Wind in ihre Quarantäne.

„Schalom – Friede sei mit euch“. Jesus Christus bringt Gottes Geist unter die Menschen. Den Geist der Kraft, der Liebe, des Friedens.

Und als er das gesagt hatte, da wurden die Jünger froh.

Wenn wir uns klar machen, wie diese Leute gerade noch deprimiert und ängstlich in ihren vier Wänden gesessen haben, ist das eine atemberaubende Wendung.

Und damit ihnen nicht die Luft wegbleibt, bläst ihnen der Auferstandene ins Gesicht. „Nehmt hin den Heiligen Geist!“

In Corona-Zeiten merken wir auf: Jemandem ins Gesicht blasen? Geht gar nicht. Aber die Jünger werden nicht mit dem Corona-Virus infiziert, sondern mit dem Heiligen Geist.

Und sich vom Geist Gottes anstecken zu lassen, ist etwas Gutes, denn die Symptome dieser Ansteckung sind Geduld, Zuversicht, Fröhlichkeit und Mut.

Wir wissen, wie es nach diesem Pfingstereignis weiterging. Über die ganze Welt hat sich das Christentum ausgebreitet. Weltweit setzen sich bis heute Menschen für ihre Mitmenschen ein und geben Zuversicht, Mut und Lebensfreude weiter.

Weil Gott uns mit seinem Geist beschenkt.

AMEN

Beitrag von Pfarrerin Christine Böhm