Liebe Gemeinde,
die vergangenen Jahre habe ich oft Klagen darüber gehört wie stressig alles vor Weihnachten und an den Weihnachtstagen sei. Diese Jahr dann die Klagen, dass man nichts machen kann: Keine Besuche auf den Weihnachtsmärkten, keine Weihnachtsfeiern, kein Besuch im Spiegelzelt, keine großen Treffen mit den lieben oder buckligen Verwandten.
Wir Deutschen neigen dazu, uns immerfort zu beklagen. Auf Weihnachten bezogen heißt das: Entweder ist zu viel los oder zu wenig.
Warum sind die, die sich vorher über zu viel Rummel beschwert haben, dieses Jahr nicht glücklich über die erzwungene Besinnlichkeit?
Weihnachten steht wie nichts anderes für das Gefühl von heiler Welt. Und in diesem Jahr wird uns drastisch gezeigt, dass die Welt eben nicht heil ist, nicht einmal an Weihnachten. Das ist enttäuschend. Enttäuschung ist ein starkes Gefühl. Und dieses Gefühl kann sich unterschiedlich ausdrücken. Wut, Trauer, Resignation. All das ist eng mit der Enttäuschung verbunden.
Enttäuschung ist kein schönes Gefühl. Es ist allerdings ein Gefühlt, das untrennbar zu Weihnachten dazu gehört. Die biblischen Weihnachts-geschichten beginnen mit reichlich Enttäuschung.
Zunächst ist Josef von seiner Verlobten enttäuscht, weil er annehmen muss, dass Maria etwas mit einem anderen hatte. Er ist so enttäuscht, dass er ernsthaft in Erwägung zieht, die Beziehung zu lösen.
Aber: Es gelingt Josef, die Enttäuschung zu überwinden. In der Bibel wird berichtet, dass ihm ein Traum dazu verhalf. Ich glaube allerdings, dass Josef auch viele Gespräche geführt hat, mit Angehörigen, mit Freunden, mit Maria, bis er sich schließlich zu einer Entscheidung durchgerungen hat. Was mit einer Enttäuschung begann, endet in einer Heirat.
Und gleich geht es mit der nächsten Enttäuschung weiter. Denn anstatt es sich nun in ihrem neuen Heim gemütlich einrichten zu können, müssen die beiden, die schwangere Maria und Josef, sich aufmachen von Nazareth nach Bethlehem. 150 km zu Fuß, nur mit einem Esel als Lasttier.
Nach all der Aufregung um die ungewollte Schwangerschaft hätten die beiden sich bestimmt als Ehepaar nun etwas Ruhe gewünscht. Stattdessen die nächste Enttäuschung und der Aufbruch nach Bethlehem.
Als sie dort ankamen, waren sie sicher erschöpft, vor allem Maria. Ein schönes Zimmer in einer Herberge, ein nahrhaftes Essen und ein Bett waren vermutlich ihr größter Wunsch. Aber wieder wurden ihre Hoffnungen und Erwartungen enttäuscht. Sie hatten keinen Raum in der Herberge, schreibt Lukas in seinem Evangelium kurz und knapp.
Nach all den Enttäuschungen gibt es nun aber zunächst eine gute Wendung. Das Kind wird geboren. Ein Wunder in einfachsten Verhältnissen. Die Enttäuschung war überwunden durch das kostbarste Geschenk, das wir bekommen können: Ein Kind.
Aber viel Zeit zum Feiern mit den Hirten und mit drei weisen Männern gab es nicht. Der König Herodes trachtete Jesus nach dem Leben, denn er hatte gehört, dass ein Mächtiger König geboren sei und fürchtete um seine Macht.
Und anstatt nach Nazareth zu Freunden und Familie zurückkehren zu können, flieht die junge Familie nach Ägypten.
Wieder wurden Wünsche und Hoffnungen getäuscht. Um ihr Leben zu retten, musste sich die Familie isolieren. Sie gingen nicht nur für 14 Tage in Quarantäne, sondern für mehrere Jahre ins Exil.
Nach all den Enttäuschungen gibt es aber auch jetzt wieder eine gute Wendung: Die Familie überlebt und kann wieder in ihre Heimatstadt nach Nazareth zurückkehren.
Die Weihnachtsgeschichte ist von Enttäuschungen durchzogen.
Aber sie ist auch durchzogen von einem immensen Lebenswillen, von Neuanfängen, von Mut und Durchhaltevermögen. Sie berichtet von Solidarität zwischen den Ärmsten der Gesellschaft, den Hirten, und den reichsten, den drei Königen, mit Menschen, die in Not geraten sind. Alle stehen vor dem menschgewordenen Gott im Stall. Sie zeigen Solidarität, in dem sie teilen, sie bringen ihre Gaben, um das Überleben zu sichern.
Was aber über allem steht, ist das Vertrauen auf Gott.
Maria und Josef glauben daran, dass Gott es gut mit ihnen meint und ihre Wege begleitet: Von der ungewollten Schwangerschaft zur Heirat, von Nazareth in den Stall nach Bethlehem, von dort nach Ägypten und schließlich wieder zurück nach Nazareth.
Enttäuschungen sind Teil des Lebens, der biblischen Weihnachts-geschichte und machen auch vor dem Weihnachtsfest 2020 nicht Halt.
Die Weihnachtsgeschichte aber erzählt davon, dass man Enttäusch-ungen überwinden kann. Durch Liebe, in der Geburt eines Kindes, im Zusammenhalt der Familie, durch Solidarität in der Gesellschaft, im Vertrauen auf Gott.
Am Ende geht es gut aus, denn Gott ist an unserer Seite:
Und der Engel des Herrn spricht zu uns: Siehe ich verkündige Euch große Freude, denn Euch ist heute der Heiland geboren.
AMEN