Manche Aussagen vergisst man nicht. So geht es mir mit einer Fortbildung zum Thema Fundraising, die ich vor bestimmt 15 Jahren besucht habe. Fundraising heißt auf deutsch Spendenwerbung. Die Frage war also, wie es gelingen kann, für eine Organisation möglichst viele Spenden einzuwerben. Da sollten Projekte finanziert werden wie die Restaurierung von Kirchenfenstern, neue Stühle für das Gemeindehaus oder Bastelmaterialien für die Kinderkirche. Es wurden Ideen gesammelt, wie man für solche und ähnliche Projekte an Geld kommen könne. Und plötzlich sagte eine Teilnehmerin vom Diakonischen Werk: Das sind doch alles Luxusprobleme. Ich habe täglich mit Menschen zu tun, die wirkliche Probleme haben. Die im Kalten oder im Dunkeln sitzen, weil sie ihre Stromrechnung nicht bezahlen konnten und der Stromanbieter ihnen einfach den Hahn zugedreht hat.
Luxusprobleme. Daran denke ich in diesen Tagen oft. Denn viele Menschen regen sich gerade auf, weil sie Luxusprobleme haben. Weil es Reisewarnungen gibt, weil wir nicht mit unbegrenzt vielen feiern dürfen, weil man einen Mund-Nasenschutz in Geschäften tragen muss. Ich finde, das sind Luxusprobleme. Wirkliche Probleme haben die, die an Covid-19 erkrankt sind. Oder die Künstler, die nicht mehr auftreten können und deshalb keine Einnahmen mehr haben oder Angehörige, die ihre schwerkranken oder sterbenden Liebsten gar nicht oder nur sehr zeitlich begrenzt im Heim oder in der Klinik besuchen dürfen.
Die einen haben wirkliche Probleme, die anderen haben Luxusprobleme, aber für alle ist heute der Erntedanktag, der uns zur Dankbarkeit aufruft.
Ich gebe zu, dass es mir – je länger wir mit der Pandemie leben – umso schwerer fällt, dankbar zu sein. Ich muss mich regelrecht dazu ermahnen neben all dem Generve mit Corona auch das Gute zu sehen.
Erntedank, da denken viele von uns zunächst an den Dank für die gute Ernte im eigenen Garten und in der Landwirtschaft oder zumindest an den Dank dafür, dass wir hier in Deutschland genug zu essen haben. Und das hatten wir sogar im Lockdown. Natürlich war es lästig, vor dem Supermarkt Schlange zu stehen oder vielleicht gar nicht selbst einkaufen zu gehen, sondern sich von den Kindern oder den Nachbarn versorgen zu lassen. Aber das war ein Luxusproblem. Ein wirkliches Problem wäre es gewesen, wenn die Versorgung mit Lebensmitteln zusammengebrochen wäre. Dass das nicht der Fall war, dafür bin ich zutiefst dankbar, denn so ist dafür gesorgt, dass wir satt werden können.
Zumindest unser Leib wird satt.
Aber was macht unsere Seele satt?
Die Bibel macht folgenden Vorschlag: Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Ich bin sicher, dass wir alle viele schöne Erinnerungen aus der Zeit vor Corona haben:
Ausgelassenen Feiern mit Tanz und vielen Menschen,
Reisen in andere Länder, die heute von einer Reisewarnung betroffen sind,
das gemeinsame Singen im Chor oder im Gottesdienst,
Besuche im Heim ohne Voranmeldung und solange wir wollten.
Erinnerungen, die das Herz wärmen.
Aber kann man von Erinnerungen satt werden?
Schöne Erinnerungen wie eine wunderbare Schatzkiste, an deren Schmuckstücken wir uns erfreuen können Aber als Menschen sind wir auf die Gegenwart und auf die Zukunft ausgerichtet und deshalb machen Erinnerungen unsere Seele nicht wirklich satt. Die Sehnsucht nach einer guten Zukunft treibt uns an, nicht das Verhaftet bleiben in der Vergangenheit.
Kann man aber von Sehnsucht satt werden?
Oder von Hoffnung, die ja auch in die Zukunft gerichtet ist?
Beides ist wichtig, lebenswichtig sogar, aber satt wird unsere Seele auch davon nicht.
Was also macht unsere Seele satt?
Im Internet habe ich darauf eine erstaunliche Antwort gefunden:
Staunen macht die Seele satt.
Staunen über die Schönheiten der Natur.
Staunen über eine wunderbare Musik
Aber auch Staunen darüber, was trotz Corona alles möglich ist.
Staunen darüber, dass endlich Rücksichtnahme wieder einen höheren Wert hat.
Staunen, dass eine Feier im engsten Familienkreis eine wohltuende Ruhe ausstrahlt.
Staunen macht die Seele satt.
Staunen auch darüber, dass Gott für uns sorgt, obwohl wir Fehler machen, gegen seine Gebote verstoßen, oft lieblos handeln und es kaum schaffen, die Schöpfung zu bewahren.
Gott ist groß. Darüber kann man nur staunen.
Die Bibel fordert uns auf:
Kommt her und seht, was Gott getan hat! Sein Tun erfüllt die Menschen mit Ehrfurcht und Staunen. Ps 66,5
AMEN